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Exotenjobs in der Bank – als Historikerin im Bankhaus Metzler

Mein Weg im Bankhaus Metzler begann als Werkstudentin in der Unternehmenskommunikation während meines Studiums der Geschichte und Germanistik an der TU Darmstadt – also eigentlich untypischen Studienfächern für eine Tätigkeit in einer Bank wie ich dachte. Durch Zufall hatte ich im August 2008 von der freien Stelle in der Unternehmenskommunikation des Bankhauses erfahren und mich beworben.

Gesucht wurde jemand, der Friedrich von Metzler bei der Korrespondenz unterstützt sowie Reden und sonstige Texte schreibt. Während meines Vorstellungsgesprächs musste ich einige Probetexte verfassen – und schon wenige Tage später bekam ich die Zusage. Zu Beginn meines Studiums wäre ich niemals auf die Idee gekommen, als Geisteswissenschaftlerin in einer Bank zu arbeiten. Als ich dann im September 2008 bei Metzler begann, war ich überrascht: Ich war nicht die einzige – es arbeiten noch einige Geisteswissenschaftler in den unterschiedlichsten Bereichen hier im Haus.

Nach zwei Jahren als Werkstudentin erhielt ich ein festes Jobangebot. Das war für mich eine sehr große Auszeichnung, über die ich mich sehr gefreut habe. Auch heute noch Exotenjobs in der Bank – als Historikerin im Bankhaus Metzler kümmere ich mich um die Korrespondenz von Friedrich von Metzler und schreibe für ihn verschiedenste Texte – insbesondere, wenn historische Themen gefragt sind. Besonders interessant ist für mich, dass ich zum einen viele interessante Aspekte über Persönlichkeiten, Unternehmen und Institutionen erfahre und zum anderen mit vielen Kolleginnen und Kollegen aus den unterschiedlichsten Abteilungen zusammenarbeite. Dies ist auch ein Aspekt eines weiteren Aufgabengebiets: Ich unterstütze das Veranstaltungsmanagement bei der Organisation vieler Events, sowohl für das Bankhaus als auch für die Familie von Metzler. Beispiele sind das Metzler-Galopprennen im Frühjahr, Roadshows, auf denen die Kollegen des Metzler Asset Management ihre Produkte und Dienstleistungen vorstellen oder große Abendessen, zu denen Sylvia und Friedrich von Metzler regelmäßig einladen.

Ghostwriting, Veranstaltungen – das sind doch keine spezifisch historischen Aufgaben. Arbeite ich denn wirklich auch als Historikerin in einer Bank? Ja. Ich betreue das historische Archiv des Hauses und forsche zur Geschichte des Bankhauses und der Familie von Metzler. Dieses Wissen nutze ich in Vorträgen und Führungen für Mitarbeiter und Kunden und auch in kleineren und größeren Veröffentlichungen. So macht es mir besonders viel Spaß, neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die lange Geschichte des Hauses näherzubringen: In der Veranstaltung „Neu bei Metzler“ stellen sich die einzelnen Abteilungen der Bank den neuen Kolleginnen und Kollegen vor – den Abschluss dieses Tages bestreite ich mit dem Vortrag über die inzwischen 340-jährige Metzler-Geschichte. Außerdem verfasste ich erst kürzlich eine Biografie über ein Familienmitglied der Metzlers: Moritz Schmidt-Metzler war mit einer Schwester des Stadtrats Albert von Metzler verheiratet. In seinem Spezialgebiet der Laryngologie – der Lehre des Kehlkopfs und seiner Erkrankungen – machte er sich einen großen Namen und behandelte Kaiser Friedrich III. sowie dessen Sohn Kaiser Wilhelm II. In Frankfurt brachte ihm das den Namen „Hals-Schmidt“ ein. Darüber hinaus engagierte er sich tatkräftig im gesellschaftlichen Leben Frankfurts. In seiner Funktion als Vorsitzender der Administration der Dr. Senckenbergischen Stiftung gehörte er mit dem Frankfurter Oberbürgermeister Franz Adickes zu den Verfechtern der Idee einer Universität für Frankfurt und leistete wesentliche Vorarbeit, damit es im Jahr 1914 zu deren Gründung kommen konnte. Er trieb eine räumliche Verlegung zahlreicher wissenschaftlicher Einrichtungen in Frankfurt mit großem Eifer und unermüdlichem persönlichen Einsatz voran und machte diese damit zur Keimzelle der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität. Sein früher Tod verhinderte jedoch, dass er selbst zu den Gründern der Universität gezählt wird. Ich freue mich darauf, wenn das Buch in derReihe „Gründer, Gönner und Gelehrte“ erscheint – eine Reihe anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Goethe-Universität, das in diesem Jahr gefeiert wird.

Das Jubiläum der Goethe-Universität nimmt Metzler außerdem gemeinsam mit Edmond de Rothschild zum Anlass, eine Gastprofessur „Financial History“ am House of Finance der Goethe-Universität zu stiften. Ein solcher Lehrstuhl hat am wichtigsten kontinentaleuropäischen Finanzplatz bisher gefehlt. Gerade seit Beginn der internationalen Finanz- und Schuldenkrise sind Banken- und Finanzhistoriker gefragte Experten. Sie identifizieren anhand historischer Muster und Erfahrungen die Ursachen mangelnder Finanzsystemstabilität und die geeigneten Instrumente zu ihrer Wiederherstellung und helfen dadurch, Fehler der Vergangenheit zu vermeiden. Ausgewiesene Experten der bank- und finanzhistorischen Forschung aus dem In- und Ausland werden für ein bis zwei Semester eingeladen, Kollegen und Studierenden und der interessierten Öffentlichkeit Einblick in ihre Forschungsinhalte und -methoden zu geben. Diese Professur ergänzt ideal das Spektrum der Finanzforschung, das in den vergangenen Jahren im House of Finance der Goethe-Universität aufgebaut wurde. Die Betreuung dieses Projekts gehört ebenfalls zu meinen Aufgaben, wie die Organisation verschiedener Veranstaltungen oder die Koordination der Projektpartner

Als Historikerin macht es mir natürlich besonders viel Freude, in einem traditionsreichen Familienunternehmen zu arbeiten, das seit seiner Gründung im Jahr 1674 in Frankfurt verwurzelt ist und die Stadt seit dieser Zeit mitgestaltet hat. Geht man mit offenen Augen durch Frankfurt, entdeckt man vielerorts Spuren der Familie – sichtbare wie etwa in der Villa Metzler und der Metzlerstraße und „unsichtbare“ wie in zahlreichen Stiftungen für Kirchen, Museen und anderen Institutionen. Schon vom ersten Tag an konnte ich sehr selbstständig und eigenverantwortlich arbeiten. Dennoch standen mir die Kollegen bei Fragen und Problemen stets mit Rat und Tat zur Seite und ich habe mich sehr schnell eingelebt. Insgesamt schätze ich die gute und persönliche Arbeitsatmosphäre. Da das Haus im Vergleich zu anderen Banken recht klein ist, kennt man sich untereinander und auch zur Familie von Metzler besteht ein direkter Kontakt. Die Hierarchien hier im Haus sind flach und Entscheidungswege in der Regel kurz. Dies gibt mir im Arbeitsalltag sehr viele Freiheiten – ich kann dadurch selbst viel gestalten. Besonders schätze ich darüber hinaus die klare Werteorientierung und die auf Langfristigkeit gerichtete Denkweise. Dass die Bank im Familienbesitz ist, sorgt für Beständigkeit und Kontinuität. Dies ist zum einen für die Kunden von Vorteil, zum anderen strahlt es aber auch auf die Arbeitsatmosphäre aus – dass die stimmt, zeigt die geringe Fluktuation im Haus. Nicht wenige Mitarbeiter arbeiten schon seit Jahrzehnten hier. Das Credo „Wir denken in Generationen“ ist keine Floskel, es wird täglich hier gelebt.

Mir macht meine Arbeit im Bankhaus Metzler sehr viel Freude. Ich kann all das tun, was ich schon immer gerne gemacht habe: Schreiben, organisieren und wissenschaftlich arbeiten. Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich und kein Tag wie jeder andere. Ich habe Kontakt zu zahlreichen interessanten Menschen und kann mich persönlich und fachlich weiterentwickeln. Jedem Geisteswissenschaftler kann ich nur empfehlen, über den Tellerrand zu schauen und sich auch in für Geisteswissenschaftler eher untypischen Branchen zu bewerben. Hier gibt es interessante und herausfordernde Jobs für Geisteswissenschaftler, man muss nur seine Nische finden. Für mich ist es inzwischen selbstverständlich, als Historikerin in einer Bank zu arbeiten.

Karriereplaner - Ausgabe: WS 2014/2015