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Wie finde ich als Erziehungswissenschaftler* in den passenden Beruf?
Bestimmt kennen Sie diese Situation: Sobald Sie jemandem erzählen, was Sie studieren, bekommen Sie entweder als Antwort: „Ach, Erziehungswissenschaften? Dann wirst du also Lehrer*in.“ Oder Ihr Gegenüber fragt neugierig: „Und was macht man damit?“ Im ersten Fall schütteln Sie energisch den Kopf, denn eigentlich wollten Sie kein Lehrer oder keine Lehrerin werden; im zweiten Fall müssen Sie vielleicht selbst erst überlegen, was Sie darauf antworten können. Denn auch wenn Sie sich bewusst für das Studienfach Erziehungswissenschaft entschieden haben – die Frage, welchen Beruf man damit später ausüben kann, bleibt auch Ihnen lange Zeit offen und unbeantwortet.
Was macht man also mit Erziehungswissenschaften?
Klar ist: auch wenn erziehungswissenschaftliches Wissen Teil der Lehramtsstudiengänge ist, so qualifizieren der Bachelor und der Master Erziehungswissenschaft, um den es hier gehen soll, nicht für den Schulunterricht bzw. das Berufsbild Lehrer*in. Vielmehr geraten die „außerschulischen“ pädagogischen Felder in den Blick. Gemeint sind damit sozial-, sonder- und erwachsenenpädagogische Bildungseinrichtungen, in denen Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus unterschiedlichen Gründen heraus in ihren Lernbemühungen und Bildungsprozessen von professionellen Pädagog*innen beraten, begleitet und unterstützt werden. Dazu gehören beispielsweise Frühförderstellen, Familienbildungszentren, Sozialdienste, Kindertagesstätten, Jugendzentren und Jugendverbände, Drogen- und Schuldnerberatungen, Wohnungslosenhilfen, Migrationsberatungsdienste, Kinder-, Jugend- und Frauenhäuser, Volkshochschulen, Bildungsakademien, Berufsbildungswerke, Ausbildungsstätten, betreute Wohngruppen, Rehabilitationseinrichtungen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, Kultureinrichtungen, Personal- und Weiterbildungsabteilungen in Unternehmen usw. – um nur einige zu nennen. Eine Fülle an Möglichkeiten!
Genau dies verunsichert viele Studierende vor allem im Bachelorstudiengang und stellt sie vor große Herausforderungen, wie wir am Fachbereich Erziehungswissenschaften aus zahlreichen Anfragen und Beratungsgesprächen wissen: Wie kann ich mir einen Überblick über diese vielen pädagogischen Berufsfelder verschaffen? Wofür soll ich mich entscheiden? Woher weiß ich, dass ich die richtige Wahl getroffen habe? – das sind nur einige der berechtigten Fragen im Zusammenhang mit dem Berufsfeldbezug im Studium und dem Berufseinstieg.
Auch wenn es dazu keine eindeutigen Aussagen gibt und hier – wie so oft im Studium – Ihre Eigeninitiative gefragt ist –, so lassen sich doch einige Hinweise und Empfehlungen geben, die Ihnen bei der Suche nach Antworten helfen können.
- Auseinandersetzung mit den Inhalten des Studiums: Sinnvoll ist es zu überlegen (z.B. in einem Brainstorming, allein oder mit Kommiliton*innen), mit welchen Themen, Fragen und Schwerpunkten Sie sich im Studium auseinandersetzen (wollen). Interessiert Sie beispielsweise ein bestimmtes Thema (z.B. Migration, Inklusion oder Lebenslanges Lernen) oder ein bestimmtes Lebensalter (Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter)? Haben Sie im bisherigen Studienverlauf bereits neue, aufregende Themen für sich entdeckt oder finden Sie erziehungswissenschaftliche Forschung spannend? Wie stellen Sie sich selbst in der pädagogischen Arbeit vor: wollen Sie im direkten Kontakt mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen arbeiten oder sagt es Ihnen eher zu, (am Schreibtisch) Bildungskonzepte zu entwickeln und Lern- und Bildungsgelegenheiten zu organisieren? Oder wollen Sie bestimmte Aspekte im Kontext von Lernen, Bildung, Erziehung selbst erforschen?
- In einem nächsten Schritt können Sie dann überlegen, in welchen konkreten Bildungs- und Forschungseinrichtungen sich Ihre Themenschwerpunkte wiederfinden und sich Berufsvorstellungen gut verwirklichen ließen. Dazu können Sie etwa Recherchen im Internet durchführen. Wie sind beispielsweise große Bildungsträger wie Caritas, Diakonie, Kommunen, kirchliche und gewerkschaftliche Bildungsakademien, Verbände, Industrie- und Handelskammern, Unternehmen, Museen und Bibliotheken, Forschungsinstitute und Universitäten usw. organisiert und welche konkreten pädagogischen Bereiche und Angebote haben solche Einrichtungen? Wer sind mögliche Ansprechpartner*innen und gibt es vielleicht sogar Stellen- oder Praktikumsangebote auf den Homepages?
- Neben den eigenen Recherchen sind vor allem Gespräche mit der Studienfachberatung am Fachbereich (bei mir oder auch im Servicecenter MoPS) und der Karriereberatung des Studienservicecenters an der Goethe-Universität eine wichtige Unterstützung. Hier können Sie unter Anleitung solche und weitere Fragen für sich zu klären oder neue Gedanken und Ideen dazu zu entwickeln und offen darüber sprechen – auch über mögliche Ängste und Unsicherheiten.
- Mit den in den Curricula des BA und MA Erziehungswissenschaft verankerten Praktika haben Sie die Chance, pädagogisches, professionelles Handeln ganz nah zu erfahren, selbst auszuprobieren und darüber im Austausch mit den professionellen Pädagog*innen zu reflektieren. Die Möglichkeit, die Pflichtstunden des Praktikums aufzuteilen und gleich mehrere Praktika zu absolvieren, hilft dabei, unterschiedliche Einrichtungen und Praxisfelder zu erkunden, um auf der Grundlage zu entscheiden, wo man gerne später tätig sein möchte – und wo nicht!
- Was sagen Pädagog*innen selbst zu ihren Arbeitsfeldern und Tätigkeiten? Inzwischen liegen zahlreiche Publikationen vor, die teilweise sehr konkrete Einblicke in den jeweiligen Berufsalltag bieten. Herausgegriffen sei etwa das 2021 erschienene Buch „In Trouble – Ein Tag im Leben von Sozialarbeiter*innen aus 44 Praxisfeldern“ von Jan V. Wirth und Birgit Wartenpfuhl, das sehr anschaulich und anregend den riesigen Bereich sozialpädagogischer Handlungsfelder beschreibt. Auch für andere Berufsfelder, wie etwa die Erwachsenenbildung oder die Sonderpädagogik liegen solche Berichte von Praktiker*innen vor (auch im Internet, z.B. auf YouTube).
- Seit vielen Jahren findet am Fachbereich Erziehungswissenschaften regelmäßig zu Beginn des Jahres die Jobmesse „Der pädagogischen Praxis auf der Spur“ statt (pandemiebedingt aktuell digital). Hier stellen sich Bildungseinrichtungen aus allen Bereichen vor, bieten Gelegenheit zum Gespräch und zum Kontaktknüpfen. Meist haben sie sogar konkrete Angebote für Praktika und Stellen mit im Gepäck. Die nächste Jobmesse wird voraussichtlich am Freitag, den 04.02.2022 im digitalen Format stattfinden.
Soweit einige unserer Empfehlungen zur Frage der pädagogischen Berufswahl. Lassen Sie sich nicht entmutigen: Zeigen Sie Kreativität und Eigeninitiative und nutzen Sie Beratungsangebote am Fachbereich und an der Universität – und Sie können die Frage „Und was macht man damit?“ künftig locker-lässig und selbstbewusst beantworten!
Dr. Birte Egloff
Fachbereich Erziehungswissenschaften – Dekanat
b.egloff@em.uni-frankfurt.de
Karriereplaner - Ausgabe: WS 2021/2022