Claudia Trillig, Director HR bei Baker McKenzie, berichtet über die gezielte Förderung von Frauen in der internationalen Großkanzlei. Sie zeigt den Ansatz dahinter und stellt Programme und Initiativen vor, die Kolleginnen für den eigenen Karriereweg nutzen können.
„Das Ziel des Lebens ist Selbstentwicklung. Das eigene Wesen völlig zur Entfaltung zu bringen, das ist unsere Bestimmung”, das wusste schon Oscar Wilde. Wer strebt nicht danach, sich frei zu entfalten und sich bestmöglich zu entwickeln? In unserer Kanzlei ist es das Ziel, alle Kolleginnen und Kollegen darin zu unterstützen und zu fördern, ihre individuellen Fähigkeiten zu entfalten – auch im Hinblick auf genderspezifische Unterschiede. Für unsere weiblichen Kollegen haben wir die Unterstützung auf eine breite Basis gestellt. Das Ziel als Unternehmen muss es sein, "Enabler" in jeglicher Beziehung zu sein.
Was bedeutet das konkret? Es braucht den Impetus, den Mindset und die Kultur im Unternehmen über die unterschiedlichen Ebenen, Hierarchien und Bereiche hinweg zu entwickeln und dies konsequent umzusetzen. Es geht darum, den Mindset zu stärken: Wo stehe ich? Was kann ich? Wohin will ich? Das Unternehmen ist hier idealerweise Wegbereiter, um den eigenen Weg zu finden, klar einzufordern und zu kommunizieren. Mit maßgeschneiderten Programmen kann hier das Unternehmen gezielt unterstützen – und zwar geschlechterunabhängig. Gleichermaßen gilt jedoch auch hier: "One size fits all" ist weder eine Option für Männer noch für Frauen – und auch nicht für alle Frauen. Denn jeder und jede hat eigene Vorstellungen und Bedürfnisse, die man nicht über einen Kamm scheren kann und soll.
Unsere Kanzlei hat seit langem das Bestreben, an unterschiedlichen Säulen anzuknüpfen, um sich bestmöglich zu entwickeln. Damit das gelingt, müssen verschiedene Bereiche und Personen an einem Strang ziehen – Management, HR, Sponsoren/Förderer, Vorgesetzte/Mentoren, u.v.m.. Entscheidend ist, dass die Kollegin selbst die Weichen mitstellt und entscheidet, wohin ihr persönlicher Weg gehen soll.
Um dies sicherzustellen, haben wir in unserer Kanzlei unterschiedliche Programme entwickelt und auf den Weg gebracht. Für Juristinnen bieten wir Entwicklungsprogramme für einzelne Karrierestufen an – angefangen beim Sponsorship Program über das "RISE" – Entwicklungsprogramm für Juristinnen bis hin zu “LIFT – Leaders Investing For Tomorrow”.
Beim Sponsorship Program übernimmt ein/e erfahrene/r Partner/in für eine Junior Anwältin die Rolle eines Sponsors und ist Ansprechpartner/ in vorwiegend für Fragen zur Karriereplanung und zum Best Practice Austausch. Als Kanzlei machen wir jüngeren Anwältinnen Mut, den eigenen Karriereweg zu gehen. Das "RISE" – Entwicklungsprogramm für Juristinnen richtet sich an weibliche Senior Associates – und in einigen Fällen auch Mid Level Associates – der EMEA-Region. Im Fokus steht, Führungskompetenzen zu entwickeln. Jede Teilnehmerin hat eine/n Partner/in/Mentor/in zur Seite, die/der sie unterstützt und hilft, ein eigenes Netzwerk aufzubauen. Bei der Initiative “LIFT – Leaders Investing For Tomorrow” handelt es sich um ein Sponsorship Programm für Local Partnerinnen mit dem Ziel, sie zu Equity Partnerinnen zu entwickeln. Die Sponsoren stehen den Teilnehmerinnen zur Seite, weitere Karriereschritte zu planen und teilen mit ihnen ihr Netzwerk.
Unter dem Stichwort “Unconscious Bias (unbewusste Vorurteile)“ veranstalten wir zudem Workshops, die sich dem Abbau von Vorurteilen gegenüber Frauen widmen. Ziel ist es zu zeigen, dass Männer wie Frauen unbewusst vorurteilsbehafteten Denkmustern folgen, selbst in kleinen Dingen des Arbeitsalltags.
Eigene Stärken zu "stärken" steht im Fokus der Workshopreihe "Be your Own Role Model" für alle Kolleginnen im anwaltlichen Bereich, Kolleginnen der Professional Services Bereiche und weibliche Law Clerks. Die Sessions bestehen aus zwei Säulen – zum einen aus Workshops zu Karriere, Stärken, Netzwerke, Rhetorik & Sprache, Meetings, individueller Karriereplan, geleitet von einer Trainerin, zum anderen berichtet ein/e Partner/ in oder Counsel über eigene Erfolgserlebnisse und gibt Tipps aus erster Hand.
Auch das Thema Work-Life-Balance spielt für uns eine entscheidende Rolle. Zum 1. Februar 2022 verabschiedeten wir eine weiterentwickelte “bAgile”-Policy, in der die Erfahrungen des mobilen Arbeitens während der Pandemie einflossen. Mit dem „2+2+1“ Modell bieten wir Kolleginnen und Kollegen Flexibilität und Freiraum: Arbeiten an zwei Tagen im Büro, an zwei Tagen mobil und einen Tag in Absprache mit der/dem Mentor/in bzw. Vorgesetzten, ob aus dem Büro oder mobil gearbeitet werden kann. Wichtig ist uns der Fokus auf Ergebnisse und weniger die Frage, wo diese erbracht werden.
Beruf und Familie gehen bei uns "Hand in Hand" – nicht nur im Zuge des 2+2+1 Modells. So unterstützen wir mit „Kinderbüros“ und dem Angebot des pme Familienservice unsere Kolleginnen und Kollegen in Sachen Kinderbetreuung. Mit dem Career Track bieten wir flexible Modelle, angepasst an Schwerpunkt, Aufgaben und Lebensphasen, z.B. mit dem Partner Track und dem Associate Alternative Track. Als Alternative zum Partner Track bietet der Associate Alternative Track spannende Mandatsarbeit bei geringeren Stundenanforderungen und weniger Business Development Aktivitäten.
Und Teilzeitarbeit ist keine Einbahnstraße in der Karriere – auch in Teilzeit ist die Ernennung zur Partnerin oder zum Partner möglich und schon in der Praxis erprobt. Die skizzierten Programme und Initiativen sind aus unserer Sicht Mosaiksteine auf dem Weg zur Selbstentwicklung – ganz im Sinne von Oscar Wilde, um das eigene Wesen zur Entfaltung zu bringen. Und wir sind kontinuierlich dabei, dieses Mosaik weiterzuentwickeln …
Karriereplaner - Ausgabe: WS 2022/2023
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