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Vom Blog zur Unternehmerin

Hätte mir 2013 jemand gesagt, dass ich in 6 Jahren dabei bin, eines der größten Food-Projekte Hamburgs umzusetzen, dem hätte ich einen Vogel gezeigt. Denn: außer essen und kochen hatte ich nicht sehr viel zu tun mit dem Foodbereich.

Passend zu dem Titel dieses Magazins kann ich sagen: diese Karriere habe ich garantiert so nicht geplant. Als ich 2001 mit einem nicht bestandenen Abitur in die Arbeitswelt startete, war die Werbebranche, für die mein Herz brannte, das reinste Desaster. Die Internetblase war gerade geplatzt, viele überqualifizierte Werber saßen auf der Straße. Und ich mittendrin. Während es ein Jahr vorher zumeist schlecht bezahlte Praktika gab, wurde jetzt gar nicht mehr bezahlt.

Warum hinfallen so wichtig ist. Und scheitern eigentlich ganz cool.

Die ersten Jahre meiner beruflichen Karriere glichen einer Berg- und Talfahrt. Ich schlitterte von einer Agentur in die nächste und sammelte mehr Kündigungen als Andere Jobs in ihrem ganzen Leben. Aber ich sammelte auch sehr viel Erfahrung. Von Werbung über Verlag bis hin zu Events für Incentives und Stadtteilfesten habe ich alles mitgenommen und war stellenweise das Mädchen für alles.

Das mag man damals als das reinste Chaos empfunden haben, rückblickend betrachtet, habe ich meine wertvollsten Stärken in genau dieser Zeit erlernt. Aber wie heißt es so schön: auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn und so fand ich schließlich meinen Platz in der Agenturwelt - als Kontakterin mit den Fäden in der Hand aber immer nah an der Kreation.

Letztlich hatten aber alle Jobs ihre Mindesthaltbarkeit. Irgendwas war immer: Zu wenig Kunden, zu viel Arbeit, zu wenig Leute. Je älter ich wurde, desto weniger bereit war ich, 15 Stunden am Tag zu arbeiten und auch die Wochenenden in der Agentur zu verbringen. Weshalb ich mich 2011 bei verschiedenen Firmen bewarb und plötzlich Marketingleiterin eines international tätigen Unternehmens war. Mit Arbeitszeiten von 8:30 bis 17:15 Uhr. Erschreckend. Aber irgendwie toll, denn auf einmal hatte ich ein Leben nach Feierabend. Die Arbeit machte mir Spaß, nur war ich hauptsächlich damit beschäftigt, mich um die Planung und Einhaltung von Budgets zu kümmern, anstatt am kreativen Prozess teilzunehmen. Und der fehlte mir.

Food ist das neue Fashion.

Was 2008 als erste Idee aufkam, setzte ich 2013 um: meinen Foodblog. Still und heimlich schrieb ich Texte, traute mich aber nicht, davon jemandem zu erzählen. Mir war es maximal peinlich, Persönliches preiszugeben. Trotzdem meldete sich ein alter Schulfreund, der inzwischen bei einer PR-Agentur arbeitete, ob ich nicht Lust hätte, ein Produkt vorzustellen. Hatte ich. Gott sei Dank: DSGVO war damals noch kein Thema. Instagram übrigens auch nicht.

Mit der Zeit hatte ich mehr und mehr Lust, Rezepte zu teilen, wurde mutiger. Und schwanger mit Zwillingen.

Als die Kinder auf der Welt waren, ging es mit Power weiter mit neuen Themen, besseren Fotos und ausgefeiltem Redaktionsund Social Media Plan. Der Blog bekam erneut einen Boost, als ich mein erstes E-Book herausbrachte.

Ich begann – im Rahmen meiner Elternzeit – als freie Marketingberaterin zu arbeiten, machte eine Weiterbildung zur Online Marketing Managerin und wurde mehr und mehr von Food Startups angefragt, ob ich ihnen helfen könnte beim Texten, Social Media, Crowdfundig, Marketing, … Ich stieg sogar fast bei einem Startup als Co-Founder ein und merkte, dank eines Job-Coachings, dass ich etwas Eigenes brauche. Auf dieser Basis entwickelte ich die Idee des foodlab: ein Coworking Space nur für Food Startups. Ein Ort, an dem einem die Startschwierigkeiten genommen werden, weil der Austausch die Hauptrolle spielt. Weil einem als Gründer von Experten geholfen wird und man sich so manchen Fehler dadurch spart.

Inzwischen arbeite ich seit knapp 1,5 Jahren an dieser Idee, seit Anfang des Jahres mit Hochdruck: eine GmbH ist gegründet, eine erste Mitarbeiterin eingestellt und gemeinsam arbeiten wir an einem Foodhub auf über 1.000 Quadratmetern in Hamburg, der alles vereint: Arbeitsplätze, Küchenplätze, ein Popup Restaurant, Eventfläche, ein Fotostudio, ein Café mit eigener Rösterei, ein Accelerator Programm und eine Werbeagentur, die sich ausschließlich um Food kümmert. Ja, das ist ein ganz schön großes Rad und es gibt sehr viele Schritte zu gehen, erst recht, wenn kein Investor dahintersteht. Aber, wenn ich etwas gelernt habe: der erste Schritt ist der Wichtigste. Es braucht viele gute Partner an der Seite, die einen unterstützen. Vor allem aber braucht es eins: Leidenschaft. Und wenn es nur die für gutes Essen ist.

Über die Autorin

Christin Siegemund, 38, ist eine Hamburger Deern, wie auch ihr gleichnamiger Blog. Und ohne den es ihr heutiges Projekt gar nicht geben würde: Anfangs nur über Food Startups geschrieben, baut sie aktuell in Hamburg das foodlab, einen Coworking Space für Food Startups. Geplante Eröffnung: Q2/2020.

www.hamburgerdeernblog.com
www.foodlab.hamburg
www.foodapartment.com

Karriereplaner - Ausgabe: WS 2019/2020