Herr Kramer, Sie sind Vorsitzender des Alumni-Vereins Rechtswissen schaft an der Goethe-Universität Frankfurt. Welche Aufgaben übernimmt dieser Verein?
Der Verein „ Alumni und Freunde des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität e.V.“ ist erst 1997 gegründet worden und ist somit noch relativ jung. Ziel des Vereins ist die ideelle und finanzielle Förderung des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität auf den Gebieten Ausbildung, Wissenschaft und Forschung sowie die Verbindung von Theorie und Praxis. Wir, die Alumni, sind ein Verein, der die Möglichkeiten der Universität fördert und unterstützt, wobei man sehen muss, dass unsere Möglichkeiten derzeit durchaus noch begrenzt sind.
Wie muss man sich eine solche Förderung vorstellen?
Eine unserer Hauptaktivitäten bezieht sich auf die Finanzierung von bestimmten Projekten. Hier ist z.B. die Ausstattung des Fachbereichs mit Literatur zu nennen, wobei wir dort einen Schwerpunkt gesetzt haben: Internationalität. Dies ist ein Bereich, der ohne Unterstützung nicht in diesem Umfang ausgestattet werden kann. Des Weiteren unterstützen wir zwei am Fachbereich initiierte Moot-Court-Projekte, internationale Hochschulwettbewerbe, die Schiedsgerichtsverfahren zum Gegenstand haben. Ferner vergeben wir jährlich zwei bis drei Stipendien für den Besuch des Sommerkurses der Akademie für Europäisches Recht in Florenz. Für solche Projekte kann die Universität in der Regel nur bedingt Mittel aufbringen. Hier ist unsere Hilfe gefragt und dank dieser können kontinuierlich Zusatzangebote für die Studierenden gemacht werden. Möglich ist dies aber nur, wenn wir ausreichend Mitglieder für unseren Alumni-Verein gewinnen. Ein Wunsch ist es daher, den Verein weiter wachsen zu lassen. Durch gute und sinnvolle Projekte hat man hier die Möglichkeit, eine entsprechende Präsenz in der Universität zu erreichen. Wichtig ist mir, dass die Studierenden die Bedeutung unserer Arbeit und den damit verbundenen Nutzen erkennen.
In der ersten Phase nach dem Studium ist das Interesse an unserem Verein vielleicht eher relativ gering. Viele Absolventen erkennen erst nach einiger Zeit, dass auch der Netzwerkgedanke und die damit verbundenen Möglichkeiten zu einer Mitarbeit im Verein einladen. Das später wachsende Bewusstsein für den Alumnigedanken, der weit über die Netzwerküberlegungen hinausgeht, versuchen wir so früh wie möglich zu wecken.
Aus diesem Grund beteiligen wir uns auch an den Absolventenfeiern des Fachbereichs. Hier wollen wir uns vorstellen, unsere Aufgaben erläutern und das Interesse an der Alumniarbeit wecken. Die Absolventen erhalten von uns bei diesem Anlass als gewissermaßen „symbolische“ Erinnerung an die Universität ein Apfelweinglas. Neben unseren sonstigen Aktivitäten veranstalten wir ein jährliches – gut besuchtes – Ehemaligentreffen, zu dem alle Alumni eingeladen werden. Nach einem eher festlicher und förmlicher gestalteten Teil mit Grußworten und einem wissenschaftlichen Vortrag bleibt im zweiten Teil dann genügend Zeit, um im gemütlichen Rahmen und bei Frankfurter Spezialitäten den Austausch zu pflegen, Kontakte zu knüpfen und aufzufrischen. Neben dem virtuellen Netzwerk entsteht ein reales Netzwerk, das trägt. Darüber hinaus haben wir im letzten Jahr einen Vortrag zur Geschichte der IG Farbenindustrie und des Poelzigbaus einschließlich des Norbert Wollheim Memorials organisiert, an den sich ein Empfang und eine Architekturführung über den neuen Campus anschlossen. In diesem Jahr haben wir Ende Mai zu einem Abend in das Cafe Sturm und Drang auf dem Campus Westend eingeladen, an dem ein Vertreter aus der Praxis über den Beruf des Anwalts berichtet hat. Die Idee stammt aus der Erfahrung, die wir mit einer früher von uns durchgeführten sogenannten „Berufewoche“ an der Universität gewonnen haben, in der die verschiedenen Berufe der Juristen vorgestellt wurden. Wir wollen dies fortsetzen.
Warum nehmen sich die Mitglieder des Alumni-Vereins dieser Förderungen an?
Ich muss einräumen, diese Frage habe auch ich mir vor meinem Beitritt gestellt. Ich denke, da gibt es vielschichtige Motive. Der Ausgangspunkt sollte sein, dass man sich gerne mit seiner Universität identifiziert. Das bewirkt eine Solidarität. Die Universität legt die geistigen Grundlagen, auf die man später bei mannigfaltigen Gelegenheiten zurückgreift und auf die man sich in entscheidenden Situationen besinnt. Dabei wird deutlich, dass die Universität mehr ist als nur eine Ausbildungsstätte. Die Universität soll in die Gesellschaft hineinwirken. Professor Peter Steinacker, langjähriger Kirchenpräsident in der evangelischen Kirche in Hessen, schrieb der Alumniarbeit einmal zu Recht eine Klammerfunktion zwischen der Universität, die die geistigen Grundlagen schafft, und der Gesellschaft zu. Als Alumni übernimmt man gesellschaftliche (Mit)Verantwortung. Durch die Mitgliedschaft in einem Alumniverein bekennt man sich dazu; man wird sich dessen bewusst und gestaltet aktiv mit.
Wie haben Sie den Übergang von der Universität zur Praxis erlebt und wie stehen Sie zu Praxiseinsätzen während des Studiums?
Den Übergang in die Praxis habe ich persönlich nicht besonders dramatisch erlebt. Ich wusste, dass etwas anderes auf mich zukommen würde und ich war bereit dafür. Ich habe keinen Praxisschock erlebt. Die Juristen haben zwei Übergänge in die Praxis: erstens vom Studium, das die theoretischen Grundlagen legt, in das Referendariat und zweites den Übergang nach dem zweiten Staatsexamen in den ausgeübten Beruf. Das Spannende ist, wenn sie dann in der Praxis mit echten Fällen konfrontiert werden, bei denen sie Verantwortung übernehmen müssen und erkennen, dass am Ende eine Entscheidung getroffen werden muss. Die Praxiserfahrung ist auch ein fester Teil des Studiums und sollte den Studierenden einen kleinen Einblick in ihr zukünftiges Berufsfeld verschaffen. Zum Hinein schnuppern und als Ergänzung finde ich Praxis während des Studiums gut, richtig und notwendig, aber zu mehr noch nicht; denn man kann aufgrund der geringen Erfahrung und der zumeist noch eingeschränkten Kenntnisse einfach noch nicht viel bewegen und sinnvoll aufnehmen.
Wie sehen Sie im Moment den Markt für Berufseinsteiger und was würden Sie den Studierenden und Absolventen/innen mit auf den Weg geben?
Das ist sicherlich schwer allgemein zu sagen, weil man das differenziert betrachten muss. Egal, wie die momentane Lage auf dem Arbeitsmarkt für Juristen aussehen mag: Der gut qualifizierte Jurist, am besten mit zwei voll befriedigenden Examen, hat kein Problem, eine angemessene und seinen Vorstellungen entsprechende Anstellung zu finden. Er/Sie kann nahezu frei wählen. Das zweite Drittel mit einem durchschnittlichen Examen findet auch eine Einstellung, allerdings nicht immer die erste Wahl und wunsch gemäß, und das dritte Drittel mit ausreichenden oder schwachen Examen hat auf dem Arbeitsmarkt sicherlich die größten Probleme, eine adäquate Beschäftigung zu finden. Es kommt allerdings noch eines hinzu. Sie haben als Jurist/Juristin eine methodische Grundausbildung, die Sie befähigt, sich auch in andere Bereiche ziemlich schnell hineinzufinden. Nicht ohne Grund finden Sie in manchen Berufsfeldern, die nicht den klassischen juristischen Berufen zugerechnet werden können, ebenfalls Juristen – zum Beispiel im Personalbereich. Der erfolgreiche Jurist muss offen sein und die ausgeprägte Bereitschaft haben, sich weiterzuentwickeln. Insgesamt sind die Berufschancen für Juristen ganz gut. Ein absolutes Muss sind heute zusätzliche Sprachkenntnisse – besonders Englisch. Darüber hinaus würde ich auch einige Zusatzqualifikationen, wie z.B. einen LLM, eine Promotion oder einen Auslandsaufenthalt empfehlen. Solche Stationen im Lebenslauf können sich oft als das besondere Etwas herausstellen, dass entscheidend für eine Anstellung ist. Jeder Jurist/Jede Juristin sollte stets über die grundsätzliche Erweiterung seines/ihres Wissenshorizontes nachdenken und offen sein für andere Sichtweisen.
Karriereplaner - Ausgabe: WS 2010/11