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Markus Heckenmüller

„Weitsicht ist nichts wert, wenn die Umsetzung fehlt“

Interview mit Karl-Heinz Streibich / Vorstandsvorsitzender der Software AG

Markus Heckenmüller und Jan Koch sprachen mit Karl-Heinz Streibich, Vorstandsvorsitzender der Software AG, über die Herausforderungen der Digitalisierung, die Zukunftsmärkte der ITBranche und Tipps für das Karriereziel Vorstandsebene.

ZUR PERSON
Karl-Heinz Streibich
Jahrgang 1952, ist seit Oktober 2003 Vorstandsvorsitzender der Software AG.

Im Laufe seiner Karriere hatte Karl-Heinz Streibich diverse Führungspositionen in der Informations- und Kommunikationstechnologiebranche inne. Unter anderem war er Leiter Marketing Operations der ITT Europe in Großbritannien, Vorsitzender der Geschäftsführung der debis Systemhaus GmbH sowie stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung der T-Systems GmbH, wo er die Fusion der debis Systemhaus GmbH und der Deutschen Telekom IT verantwortete.

Er ist Mitglied des Aufsichtsrates der Deutschen Telekom AG, der Dürr AG, der Deutschen
Messe AG und der MANN+HUMMEL GMBH, sowie ehrenamtlich tätig im Präsidium des deutschen IT–Verbands BITKOM, sowie im Vorstand der regionalen Wirtschaftsinitiative Frankfurt Rhein Main e.V. und hält den Co-Vorsitz der Arbeitsgruppe 3 „Innovative IT-Angebote des Staates“ des Nationalen IT-Gipfels der Bundeskanzlerin. Zudem ist er Mitbegründer des deutschen Exzellenzclusters für Software und ist Mitglied des Wirtschaftsund Zukunftsrates der hessischen Landesregierung.

ZUM UNTERNEHMEN
Software AG
Die Software AG hilft Unternehmen, ihre Geschäftsziele schneller zu erreichen. Mit den Technologien des Unternehmens für Big Data, Integration und Geschäftsprozessmanagement steigern Unternehmen ihre Effizienz, modernisieren ihre Systeme und optimieren ihre Prozesse, um qualifizierte Entscheidungen zu treffen und einen besseren Service zu erbringen. Seit mehr als 40 Jahren steht das Unternehmen für Innovationen, die sich am Nutzen für den Kunden ausrichten. Mit den Produktfamilien Adabas und Natural, ARIS, Terracotta und webMethods ist das Unternehmen führend in 15 Marktsektoren. Die Software AG beschäftigt ca. 5.300 Mitarbeiter in 70 Ländern und erzielte 2012 einen Umsatz von 1,05 Milliarden Euro.

Weitere Informationen finden Sie unter:
www.softwareag.com.

Herr Streibich, Sie sind Vorstandsvorsitzender der Software AG, Vorstandsmitglied beim Branchenverband BITKOM und engagieren sich bei der Initiative D21. Wie steht es um Ihre Work-Life-Balance?
Sehr gut! Ein richtiges Zeitmanagement ist die Basis, um den beruflichen und privaten Alltag zu managen. Und Selbstbestimmung ist der entscheidende Meilenstein auf dem Weg zum Erfolg und das Mittel gegen Stress.

Beim Deutschen Wirtschaftsforum 2012 sprachen Sie über „Die digitale Revolution als Treiber der Wertschöpfung oder Zerstörer von Geschäftsmodellen“. Wie würden Sie die Software AG vor diesem Hintergrund einordnen?
Die Software AG unterstützt Unternehmen dabei, effizienter und schneller zu werden, kurz: die Agilität und Flexibilität zu erlangen, mit der sie auf die Dynamik in ihren Märkten angemessen reagieren können. Für ein Höchstmaß an Wertschöpfung müssen Unternehmen ihre Prozesse digitalisieren. Das Ziel für Unternehmen und Organisationen sind letztlich erfolgreiche Geschäftsmodelle und damit effiziente Prozesse. Zur Erreichung dieses Ziels und damit zur Realisierung echter Prozessexzellenz führen wir mit unserer Prozess- und Integrationssoftware die neue „Digitalisierungsplattform“ zwischen den vorhandenen IT-Systemen und den anwendungsbasierten Geschäftsmodellen unserer Kunden ein. Damit lösen wir die bisher bestehende starre Verbindung zwischen der ITund der Geschäftsebene auf. Diese Trennung ist die Voraussetzung für die schnelle Anpassung der Geschäftsanwendungen an neue Entwicklungen. Hierzu gehören beispielsweise die technologischen Megatrends Social Collaboration, Cloud Computing, Big Data Management und mobile Anwendungen.

„Ein Unternehmer ist jemand, der Wertschöpfung generiert. Nach dem Prinzip lebe ich.“

„Selbstbestimmung ist der entscheidende Meilenstein auf dem Weg zum Erfolg und das Mittel gegen Stress.“

Sie haben Nachrichtentechnik studiert. Wie relevant war das Studium für Ihre spätere praktische Tätigkeit?
Die Relevanz des Studiums ergibt sich wie folgt: Erstens aus der Fähigkeit, unter Druck viel Stoff lernen und anschließend qualitativ hochwertige Arbeit leisten zu können. Zweitens, sich mit den relevanten IT-Themen bis ins kleinste Detail auseinanderzusetzen und zu zeigen, dass man auch wissenschaftlich arbeiten kann. Diese essenziellen Fähigkeiten konnte ich, neben dem inhaltlichen Themenspektrum, aus dem Studium ableiten und auf mein späteres Arbeitsleben übertragen.

Wie definieren Sie einen guten Unternehmer?
Ein Unternehmer ist jemand, der Wertschöpfung generiert. Nach dem Prinzip lebe ich. Ein ganzheitliches Unternehmertum im Einklang mit allen Stakeholdern: Mitarbeitern, Kunden, Aktionären und natürlich der interessierten Öffentlichkeit. Ich verbinde den traditionellen Unternehmerbegriff mit Glaubwürdigkeit und Weitsicht, gepaart mit einer Umsetzungsstärke – jetzt und heute. Denn Weitsicht allein ist nichts wert, wenn die Umsetzung fehlt. Eine offene unternehmerische Kultur zu haben, damit die Mitarbeiter auch von sich aus Impulse geben und wie in einem sozialen Netzwerk mitdenken und mitarbeiten. Das ist ein gutes Unternehmen.

Der klassische Unternehmer ist haftender Eigentümer mit entsprechenden Gestaltungsmöglichkeiten. Wie sieht Ihre Rolle als Vorstandsvorsitzender aus?
Auch ein Vorstandsvorsitzender trägt wirtschaftliche Risiken und wird an seinem verantwortlichen Handeln gemessen. Verantwortliche Handeln bedeutet dabei, Wertschätzung vermitteln – gegenüber den Mitarbeitern, Partnern und Kunden, gegenüber anderen Stakeholdern sowie gegenüber der Gesellschaft und Umwelt, in der wir leben. Wertschätzung bedeutet tiefe Kundenbindung, anhaltende Mitarbeitermotivation, glaubwürdiges Image in der Öffentlichkeit und Nachhaltigkeit für unsere Umwelt. Einen Nährboden für die nächste Generation zu schaffen, die darauf aufbauend den Wohlstand in unserem Land halten und weiterentwickeln kann – diese Dinge finden auf gleicher Ebene statt und sollten einen Eigentümer wie auch einen Vorstandsvorsitzenden gleichermaßen antreiben.

Größter Einzelaktionär Ihres Unternehmens ist die Software AG-Stiftung. Spielt sie eine Rolle bei Unternehmensentscheidungen?
Die Software AG-Stiftung hält knapp 30 Prozent der Anteile und schützt uns vor feindlichen Übernahmen. Als Ankerinvestor spielt die Stiftung somit eine entscheidende Rolle beim Erhalt der Unabhängigkeit der Software AG. Die Software AG-Stiftung wiederum fördert auch mithilfe unserer Dividendenzahlungen soziale Projekte. Seit meinem Amtsantritt 2003 konnten durch die Stiftung mehr als 250 Millionen Euro in soziale Projekte investiert werden.

„Auch ein Vorstandsvorsitzender trägt wirtschaftliche Risiken und wird an seinem verantwortlichen Handeln gemessen.“

Existiert ein Ethikkodex in Ihrem Unternehmen?
Wir halten uns an die Corporate Governance- Regeln und verfügen auch über einen Ethikkodex im Unternehmen, um weltweit – wir sind in 70 Ländern präsent – trotz unterschiedlichster Kulturen und Moralbegriffe ein einheitliches Wertesystem zu pflegen. Dieser Ethikkodex hilft unseren 5.300 Mitarbeitern dabei, im Rahmen unserer weltweiten Tätigkeit, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Wir alle tragen die Verantwortung für integres Verhalten – untereinander und mit unseren Geschäftspartnern. Der Ruf eines Unternehmens gehört zu den kostbarsten Vermögenswerten. Durch ihn werden die Beziehungen des Unternehmens zu seinen Mitarbeitern, Kunden, Geschäftspartnern, Anteilseignern und Wettbewerbern gekennzeichnet. Ihn zu erhalten und zu fördern, ist Zweck dieses Ethikkodex. Er schafft konzernweit das Fundament für verantwortungsvolles Handeln.

Sind so viele Standorte weltweit nicht im Zeitalter der digitalen Kommunikation überflüssig?
Wenn wir Projekte beim Kunden implementieren, müssen wir vor Ort sein, gerade bei Dienstleistungen, Services und Consulting. Technologie ersetzt nicht den persönlichen Kundenkontakt. Es gibt natürlich Technologien, die physische Präsenz reduzieren können, wie Videokonferenzen. Aber das ist nur eine graduelle Reduktion der Reiselogistik.

2011 hat die Software AG den European Business Award für internationales Wachstum gewonnen. Wie ist nachhaltiges Wachstum in der agilen IT-Branche möglich?
Indem man mehrere Wachstumstreiber hat, die sich optimal ergänzen. In den letzten zehn Jahren waren das bei uns Globalisierung, Innovation, Partnergeschäft und Investition in organisches und externes Wachstum. Auch ein pro-aktiv vorausschauender, technologischer Marktführer zu sein, gibt einem die notwendige Pufferzone für schwierige Zeiten.

Die Software AG ist Gründer und Förderer vom House of IT. Was versprechen Sie sich von dieser Initiative?
Das House of IT ist eine öffentlich-private Partnerschaft zur Förderung innovativer Informations- und Kommunikationstechnologien. Im House of IT sitzen Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik an einem Tisch. Wir bündeln IT-Kompetenzen,

fördern Kooperationen und setzen vielfältige Impulse für die interdisziplinäre Entwicklung
und Gestaltung innovativer IT-Projekte. Unter dem Dach des House of IT werden ITLeuchtturmprojekte umgesetzt, wie „das Museum des 21. Jahrhunderts“ im Städel- Museum in Frankfurt mithilfe einer Cloud Media-Plattform. Das alles entsteht durch
Kollaboration, durch ein gemeinsames Verständnis im House of IT.

Wie gut ist Deutschland als IT-Standort aufgestellt?
Durch eine starke Anwenderindustrie hat Deutschland als IT-Standort ein sehr großes Potenzial. Insbesondere beim Thema Unternehmenssoftware sind wir mit den zwei Keyplayern SAP AG und Software AG hierzulande exzellent positioniert.

Bei der Podiumsdiskussion des DWF kam der Vergleich mit den USA auf. Wo liegen die größten Unterschiede in der Innovationsfähigkeit der beiden Standorte?
Erstens ist die Kultur in den USA unternehmerischer und mehr durch Eigeninitiative geprägt. Zweitens hat man mit dem Silicon Valley schon einen Brutkasten, der weitreichende Innovationen hervorbringt. Und drittens: Durch die Größe des Landes mit fast 400 Millionen Menschen, ein einheitliches Rechtssystem und eine Sprache hat man natürlich eine breite Basis, auf der eine Firma enorm groß werden kann.

Aktuell sind vor allem die BRIC-Staaten Wachstumsmotoren der Weltwirtschaft. Gibt es dort Wachstumspotenziale für Ihr Unternehmen?
Für uns ist mit großem Abstand die USA der wachstumsrelevanteste Markt. Es gibt dort viele große, technologisch weit entwickelte Firmen, die in der digitalisierten Welt Fuß fassen. Länder, deren Wirtschaft noch nicht über eine entwickelte IT-Infrastruktur verfügt, haben weniger Potenzial. Nachhaltiges Wachstum ist wichtiger als kurzfristige Gewinne.

Was muss passieren, damit Europa und speziell Deutschland bei der digitalen Innovationsfähigkeit aufholen können?
Deutschland ist Exportweltmeister. In den Anwenderindustrien gehören wir zu den Innovativsten. Politik kann Rahmenbedingungen schaffen, zum Beispiel durch Start Up- Förderungen. Aber statt Forschungsprojekte zu bezahlen, sollte man eine Forschungsförderung initiieren, mit der die F&E-Ressourcen in Deutschland steuerlich entlastet werden. Das ist viel nützlicher als die Blockforschungsförderung über Projekte.

Bundeswirtschaftsminister Rösler hat auf dem 7. IT-Gipfel eine umfassende Förderung für Unternehmensgründer angekündigt. Wie schätzen Sie die Auswirkungen auf Ihre Branche ein?
Diese Initiative ist gut und wird auch Nutzen schaffen. Die Bundesregierung setzt hier wichtige Impulse für zukünftiges Wachstum. Gleiches gilt auch für den IT-Gipfel der Bundeskanzlerin, der die deutsche IT-Industrie mit Universitäten und Hochschulen zusammen bringt.

Interview im Rahmen des Jahrbuchs
Unternehmertum. Made in Germany. 2013
Copyright Convent Kongresse GmbH

Karriereplaner - Ausgabe: WS 2013/2014